Zuständigkeit

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Zuständigkeit

me-tabula
Veröffentlicht von Gunnar Cremer in Mediation · Mittwoch 01 Sep 2021
Zuständigkeit - Wer ist wofür zuständig? Das ist eine sehr wichtige Frage in der Kommunikation. Und, ich kann es gar nicht oft genug wiederholen, die Zuständigkeit fängt bereits bei den Augen, Ohren und dem Mund an, nicht erst bei einer gesellschaftlichen, vertraglichen oder situativen Rolle, sondern ganz unmittelbar: Wer sieht? Wer hört? Wer spricht? Wer erinnert sich? Wer denkt?

Zuständig für das Hören sind die Ohren desjenigen, der hört.
Zuständig für das Sehen sind die Augen desjenigen, der sieht.
Zuständig für das Sprechen ist der Mund desjenigen, der spricht.

Das klingt so einfach und klar, ist aber im Streit schwer durchzuhalten.
Da weiß der eine viel besser, was der andere gesprochen hat. Anstatt zu klären, was er selbst gehört hat.
Da weiß der eine viel besser, was der andere gehört hat. Anstatt zu klären, was er selbst gesprochen hat.
Da weiß der eine viel besser, was der andere gesehen hat. Anstatt zu klären, was er selbst sieht.
Da weiß der eine viel besser, was der andere gedacht hat. Anstatt zu klären, was er selber denkt.

Wer so weiß und spricht, soll sich nicht wundern, wenn der andere in Rage gerät. Bildlich gesprochen, hat er dem anderen immerzu an Augen, Nase, Ohren, Mund und Verstand herumgemacht - das ist jedenfalls unangenehm, um nicht »übergriffig« zu sagen.

In dem Wort Zuständigkeit klingt das Wort »Stand« an und lenkt schon auf die wichtige Doppelfrage: Wer steht wo?
Zur Klärung hilft es, gedanklich einen Kreis um sich zu ziehen, und einen zweiten Kreis um den anderen. Man sieht dann vor dem inneren Auge die Zuständigkeiten. Innerhalb des eigenen Kreises ist man selbst zuständig. Innerhalb des anderen Kreises ist der andere zuständig. Jeder für sich in seinem Kreis.

Wenn also der andere redet mit seinem Mund und Sachen sagt, die Sie nicht gleich annehmen wollen, so legen Sie gedanklich die Worte in dem Kreis des anderen ab: ›Er hat geredet, es sind seine Worte, also lege ich sie in seinem Kreis ab.‹
Was ist damit gewonnen? Zum einen ist Zeit gewonnen. Wertvolle Zeit, die Sie vielleicht zum Nachdenken gebrauchen können.
Und zweitens ist die Magie der Worte gebannt. Was bedeutet das? Angenommen, Sie werden als Leugner oder Denker von irgendwas oder als Freund von irgendwem tituliert, als Klimaleugner, als Querdenker oder Putinfreund. Wie finden Sie das? Wie fühlt sich das an?
Und jetzt denken Sie sich also einen Kreis um den Sprecher und legen die Titulierung bei ihm ab: ›Er hat Leugner/Denker/Freund zu mir gesagt, es sind seine Worte, ich lege sie bei ihm ab.‹ Da liegen die Worte nun, sie liegen ganz bewegungslos am Boden im Zuständigkeitskreis des anderen herum. So können Sie sie anschauen, sogar von oben herab, wenn Sie wollen. Sie gewinnen auch die Freiheit, die Worte aufzunehmen, sie zu prüfen, Fragen zu stellen, die Worte durch eigene Entscheidung anzunehmen oder sie beim anderen liegen zu lassen.

Wenn Sie diese beiden Zuständigkeitskreise nicht ziehen, dann können die Worte wie Geister durch den Raum fliegen, überall hin, auch zu Ihnen. Und wenn Ihnen das nicht gefällt, wenn es Ihnen nicht gefällt, als Klimaleugner, Querenker oder Putinfreund bezeichnet zu werden, dann werden Sie die Worte von sich abschütteln wollen, Sie werden sich verteidigen müssen. Oder Sie werden einen Gegenangriff starten müssen. Durch die Zuständigkeits-Kreis-Methode ersparen Sie es sich, gegen Geister zu kämpfen. Das gelingt selten, man erschöpft sich. Obendrein sieht es im Nachhinein auch meist albern aus.

Mediatoren wenden diese Technik intensiv an. Sie stellen damit ihre eigene Neutralität sicher. Und sie führen die Verhandlungspartner verletzungsfrei durch die Verhandlung.  


Gunnar Cremer * Mediator und Rechtsanwalt * Engertstr. 12 * 04177 Leipzig * info@me-tabula.de
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