Mediation und Scrum
Veröffentlicht von Gunnar Cremer in Mediation · Donnerstag 11 Jun 2020
Scrum und Mediation haben viele Gemeinsamkeiten. Möglicherweise können
Erkenntnisse und Erfahrungen des Scrum für die Mediation nützlich sein,
wie auch umgekehrt.
Mediation und Scrum sind strukturierte
Verfahren. Im Scrum gibt es die Sprints mit Planungsphase, Review und
Retrospektive mit dem Ziel der Reduzierung von Komplexität und der
schnellen und wirtschaftlichen Entwicklung eines marktfähigen Produktes.
In
der Mediation gibt es Sprint-Äquivalente, die Verhandlungsrunden zur
Vorbesprechung, zu den Themen, Interessen und Optionen mit dem Ziel
einer einvernehmlichen und interessengerechten Lösung.
Dem
Scrum-Master entspricht der Mediator. Beide organisieren die
Zusammenarbeit des jeweiligen Lösungsteams (im Scrum: Entwicklungsteam,
in der Mediation die Medianten). Beide haben grundsätzlich keine
Weisungskompetenz. Da Scrum rglm. als Unternehmenskultur implementiert
und oft auch arbeitsvertraglich vorgeschrieben ist, kann sich der
Scrum-Master zur Durchsetzung der Scrum-Struktur auf diese Autorität
stützen. Der Mediator kann das nicht.
Mediator
und Scrum-Master sind verantwortlich für einen produktiven
Lösungsprozess. Sie sorgen für ein gutes Verhandlungsklima, für eine
Dokumentation der Verhandlungsschritte und -ziele sowie für Transparenz,
Selbstverantwortung, Mut, Offenheit und Respekt.
Im
Scrum fallen die Verantwortlichkeiten für das Projekt / Produkt und für
die Entwicklung auseinander: Der Product Owner ist verantwortlich für
das Produkt und seine Eigenschaften, das Entwicklungsteam für die
Entwicklung der vorgegebenen Produkt- bzw. Projekteigenschaften.
In
der Mediation handeln die Medianten in Personalunion als Product Owner
und Entwicklungsteam; sie sind sowohl verantwortlich für die
Eigenschaften des Projektes als auch für die Entwicklung des Projektes.
In von Vorgesetzten oder Gerichten geschickten - somit unfreiwilligen -
Mediationen begreifen die Medianten sich nicht als Projekt Owner, auch
wenn sie es faktisch sind.
Wesentlicher
Unterschied zwischen Scrum und Mediation dürfte die Kooperation des
Teams sein: Im Scrum arbeitet regelmäßig ein potentiell
kooperationsbereites Team; in der Mediation operieren regelmäßig
Kontrahenten. Daher erfordert die Tätigkeit eines Mediators eine
stärkere Unabhängigkeit, präsentere All- bzw. Unparteilichkeit und
tiefere Eingriffe in die Kommunikation der Beteiligten.
Ein
Scrum-Master wird dies durch die Einbindung in die Unternehmensstruktur
und damit in die Hierarchie- und Autoritätsstruktur des Unternehmens
sowie durch ein eigenes Interesse am Projekt-Erfolg und am Erhalt seines
Arbeitsvertrages nicht erreichen können.
Seine formale Rolle
ermöglicht es ihm aber, mediative Techniken in den Scrum-Prozess
einzubringen und somit frühzeitig etwaigen Konfliktverhärtungen
entgegenzuwirken, so dass sie für das Team beherrschbar bleiben.
Das
Scrum richtet sich auf ein konkretes Produkt / Projekt aus. Daher
erscheint das Scrum-Verfahren prägnanter und präziser zu sein als eine
Mediation.
Die Mediation richtet sich auf einen
Konflikt aus. Ein Konflikt erscheint den meisten Menschen wie ein
Gespenst: nicht greifbar, aber gruselig. Die Konfliktklärung kann alles
Mögliche zum Vorschein bringen; der Bearbeitungsaufwand ist nicht
überschaubar, die emotionale Belastung wird gefürchtet, die Kosten auch.
Der Erfolg einer Mediation "Verständigung und Frieden" ist in
Konkurrenzgesellschaften kein Verkaufsschlager.
Das
Scrum-Rahmenwerk könnte auch der Mediation helfen, ihr Profil zu
schärfen. Die klare Definition von Rollen, Ereignissen und Artefakten im
Scrum könnte Vorbild sein für die Mediation, die eigenen Rollen,
Ereignisse und Artefakte ähnlich griffig und anschaulich zu formulieren
und zu vermarkten.
Scrum wurde erfunden und
entwickelt von Ken Schwaber und Jeff Sutherland. Weiterführende
Informationen unter: www.scrumguides.org.